Tja, was will man dazu sagen ... Früher war halt immer alles besser, und wenn etwas schief läuft in einer Gesellschaft, braucht es dafür immer einen klar darstellbaren Sündenbock, außerdem ist der Splitter im Auge des anderen ohnehin stets viel größer als der Balken im eigenen.
Ich habe vor ein, zwei Jahren schon mal einen Bericht im Stern oder Spiegel über Mädels gelesen, die meinten, sie müssen mit 15 schon Gang Bangs mit 9 Kerlen haben, weil sie dann cool wären und dazu gehören würden. Natürlich wurde auch in diesem Beitrag die Schuld auf die Pornographie geschoben - auf wen auch sonst? Wer zeigt schon gern mit dem Finger auf sich selbst?
Wer wirklich daran "schuld" ist? Vater Staat, weil er es bis heute nicht geschafft hat, aktive Integration zu betreiben; weil er immer mehr Menschen in den Niedriglohnsektor und damit in die Armut getrieben hat; weil er es bis heute nicht geschafft hat, ein Schulsystem zu etablieren, das auch begabten Schülern aus den unteren Einkommensschichten den Besuch eines Gymnasiums ermöglicht. Die Eltern, weil viele zwar Kinder, aber dafür auf nichts verzichten wollen und so ihre Sprößlinge lieber vom Fernseher erziehen lassen. Wir alle, weil wir uns oft lieber über solche Assis lustig machen, als mit ihnen zu reden und ihnen einen anderen Weg aufzuzeigen versuchen. (Ich bin da natürlich keine Ausnahme.)
Was aber mit Sicherheit eine sehr geringe Schuld trägt, ist Porno. In den meisten europäischen Ländern ist Porno länger legal als in Deutschland - und wird weitaus weniger streng reglementiert. Trotzdem ist die Jugend dort nicht gestörter als hier. Aber Porno ist natürlich so ein toller Sündenbock wie seinerzeit die entarteten Künstler, die ebenfalls keine Lobby hatten.
Ich habe zu dem Thema übrigens ein sehr interessantes Buch gelesen:
Warum unsere Kinder Tyrannen werden: Oder: Die Abschaffung der Kindheit; ; Unter Mitarbeit von Carsten Tergast: Amazon.de: Michael Winterhoff: Bücher
Wird auf amazon.de auch sehr kontrovers diskutiert. Ich persönlich finde, der Mann hat mit seinen Thesen größtenteils recht. Wenn ich mir oft im Supermarkt oder auf der Straße so anschaue, wie sich Eltern von ihren Kindern rumschubsen lassen und ihnen keinerlei Regeln und Grenzen aufzeigen, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn diese Kinder im Teenageralter zu unkontrollierbaren, egomanischen Monstern werden.
Die sogenannten christlischen Werte, die uns dieser Arschverein von CDU dauernd reindrücken will, sind keineswegs notwendig christlich, sondern viele davon sind Notwendigkeiten für das funktionierende Zusammenleben in einer Gesellschaft. Ohne ein paar Grundregeln geht es nicht. Aber Regeln muß man lernen. Und woher sollen die Kinder diese paar Regeln lernen, wenn nicht in der Schule und von den Eltern? Nirgendwo! Und dann kommen diese sogenannten Assis dabei raus, von denen immer so getan wird, als wäre das die gesamte Jugend. (Was auch nicht neu ist. Die alten Herren und Damen haben ja zu allen Zeiten so getan, als wären die extremsten Vertreter der Jugend stellvertretend für die Gesamtheit zu sehen.)
Es ist eigentlich schon ein trauriges Bild ... Eltern trauen sich oft nicht, ihren Kindern Grenzen zu setzen - oder sie wollen es nicht aufgrund irgendwelches postmodernen Laissez-faire-Quatsch. Lehrer können es nicht (mehr), weil sie weder dürfen noch die Energie dazu haben. (Man muß sich mal in einen modernen Lehrer hineinversetzen: Für Bildung wird in Deutschland wahnsinnig wenig ausgegeben, so daß viele Schulen marode und die Lehrer nicht gut bezahlt sind. Hinzu kommt, daß sowohl von seiten der Eltern als auch der Politik ständig auf den Lehrern rumgehackt und weiter Druck gemacht wird. Ich möchte da kein Lehrer sein! Da soll man junge Menschen zu vollwertigen Mitgliedern der Gesellschaft erziehen und kriegt ständig nur ins Gesicht gespuckt.) Aber wenn es die Eltern nicht machen und die Lehrer nicht dürfen/können - wer soll es dann tun?
Daran zeigt sich exemplarisch, wie verheuchelt und verlogen vor allem die größere der beiden sogenannten Volksparteien ist. Einerseits propagiert sie immer die Menschenwürde, die christlichen Werte, etc., andrerseits tut sie einen Scheißdreck dafür, sondern fordert stets mehr Überwachung, Gesetze, härtere Strafen ... "Was, wieder ein U-Bahn-Schläger? Da reichen 10 Jahre Jugendknast nicht mehr! Der muß gleich lebenslänglich weggesperrt werden! Was, noch mehr komasaufende Jugendliche? Da reicht Alkohol ab 18 nicht mehr! Alkohol muß ganz verboten werden! Gleichzeitig müssen wir bei jedem Getränkehändler einen Polizisten postieren!" Von diesen grenzdebilen Spacken hat sich doch keiner mal die Mühe gemacht, über die wahren Ursachen nachzudenken und das Problem an der Wurzel anzugehen.
Am meisten aufgeregt hat mich ja die Diskussion nach dem letzten Amoklauf ... "Was, wieder ein Amokläufer? Da müssen strengere Waffengesetze her! Ach so, ja, geht ja nicht - Waffenlobby, Arbeitsplätze. Dann müssen die Killerspiele weg! Und Paintball gleich dazu! Die wählen sowieso nicht - oder zumindest uns nich."
Bei allem Respekt für die Opfer dieser Tat - hat eigentlich mal einer gefragt, WARUM dieser Typ ausgerastet ist? Hat man darüber diskutiert, ob er vielleicht von einigen oder gar allen seiner Opfer jahrelang gehänselt und gemobbt wurde, bis er gar nicht mehr anders konnte als zu explodieren. Die alte Weisheit "Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es zurück." war hier mit Sicherheit nicht ganz außer Kraft gesetzt.
Aber selbstverständlich wurde darüber nicht diskutiert - oder zumindest habe ich davon nichts mitgekriegt. Ich habe nur Waffenrecht, Killerspiele, Paintball überall gelesen. Von Mobbing und was man dagegen tun kann, war nie die Rede.
Im Fernsehen habe ich vor kurzem eine interessante Diskussion gesehen. Dabei ging es um Bürokratie. Einer der Teilnehmer (der die Ansicht vertrat, Gesetze und Verordnungen schaden der Gesellschaft) hat eine tragikomische Geschichte erzählt: An einem See in seiner Nähe führt ein Weg vorbei. Viele, viele Jahre wurde dieser Weg von Fußgängern und Fahrradfahrern gemeinsam und mit Rücksichtnahme genutzt. Eines Tages aber geschah dort ein Unfall: Ein Fahrradfahrer und ein Fußgänger kamen sich in die Quere. Daraufhin fühlte sich die zuständige Behörde bemüßigt, ein Schild aufzustellen, das den Weg in der Mitte teilte - eine Seite für die Fußgänger, eine für die Fahrradfahrer. Woraufhin folgendes passierte: Die Unfallrate nahm zu. Der Grund dafür war ganz einfach: Da nun beide Seiten "per Verordnung" Anspruch auf je die Hälfte des Weges hatten, pochte jede Seite auch auf diesem Recht und weigerte sich auszuweichen, falls jemand der anderen Partei in seine Hälfte kam. Irgendwann entfernte die Behörde das Schild dann wieder, weil man offenbar ein Einsehen hatte. Allerdings änderte das nichts mehr an der Einstellung der Wegbenutzer. Sie pochten weiterhin auf ihrem Recht.
Ich finde diese kleine Geschichte wirklich sehr aufschlußreich, denn sie zeigt ganz deutlich, daß das Leben erstens zu kompliziert ist, um für alles Gesetze und Verordnungen zu erlassen, und daß es zweitens im normalen Miteinander nur ein paar Grundregeln braucht, damit wir alle friedlich miteinander auskommen. Man muß keine Linie auf einem Weg ziehen, damit Fahrradfahrer und Fußgänger miteinander auskommen können. Wenn einfach beide die Augen aufmachen und Rücksicht nehmen, ist das mehr als ausreichend - und ein Unfall kann immer und überall passieren, egal wann, egal wo. Kein Gesetz der Welt verhindert das.
Aber mal ganz ehrlich - das wäre ja zu einfach, oder?